Humanist: On The Edge Of A Lost And Lonely World

Humanist Rob Marshall credit Katja Mayer

Unter dem recht anonymen Moniker Humanist macht Rob Marshall tolle düstere Rockmusik. Mit Promi-Gästen – und im Andenken an den großen Mark Lanegan.

von Werner Herpell

Dave Gahan (Depeche Mode), Ed Harcourt, Isobel Campbell (früher Belle And Sebastian), Tim Smith (ehemals Midlake, jetzt Harp), Peter Hayes (Black Rebel Motorcycle Club) – allein die Namen dieser Sänger lassen Alternative-Rock- und Indie-Pop-Fans das sprichwörtliche Wasser im Munde zusammenlaufen. Wer es schafft, fünf so renommierte Vokalisten (und noch einige, nicht ganz so berühmte, mehr) für sein neues Albumprojekt „On The Edge Of A Lost And Lonely World“ zu gewinnen, der muss schon verdammt gut vernetzt oder selbst sehr bekannt sein.

Gut vernetzt ja, berühmt nein

Humanist On The Edge Of A Lost And Lonely World Albumcover

Stimmt im Fall von Rob Marshall alias Humanist (ein Moniker, der an Anonymität kaum zu übertreffen ist) nur zur Hälfte. Gut vernetzt ganz sicher ja – die Gästeliste spricht für sich. Berühmt eher nein – denn Marshall ist bisher lediglich ein in Fachkreisen hoch angesehener Studiomann. „British guitarist, songwriter and producer Rob Marshall, is a musician driving towards an undeniably successful future in music“, heißt es hoffnungsvoll auf seiner Website. Und dass er zusammen mit dem leider gestorbenen Düster-Sänger Mark Lanegan (1964-2022) die Kollaboration „Gargoyle“ (2017) verantwortet habe.

Nun also „On The Edge Of A Lost And Lonely World“, ein 13-Track-Album mit melodischem Postpunk/Shoegaze, Gothic/Industrial und dunkel getönter Gitarrenmusik, auf dem Marshall seine Meisterschaft als Musiker und Produzent unter Zuhilfenahme wechselnder Top-Vokalisten voll ausleben kann. Gleich zwei Titel hat er mit Multitalent Ed Harcourt als Sänger aufgenommen, der dieses Jahr ein formidables Solo-Comeback mit „El Magnifico“ feierte – und auf „Happy“ und „The Immortal“ ähnlich eindrucksvoll klingt. Dave Gahan singt wuchtig das zentrale Stück „Brother“ – allein dies schon ein Grund für Depeche-Mode-Komplettisten, in Marshalls Album zumindest mal intensiv reinzuhören.

Dave Gahan als „perfekte Besetzung“

Der Songschreiber erzählt ausführlich über dieses monumentale Lied: „Eine Woche nach Lanegans Tod hat sich Ed Harcourt bei mir gemeldet und mich auf eine der musikalischen Ideen angesprochen, die ich mit ihm geteilt hatte. Er erinnerte sich an Marks Angewohnheit, seine engsten Verbündeten liebevoll ‚Brother‘ zu nennen. So hat er mich auch immer genannt. Dieser liebenswerte Begriff deutete auf eine Kameradschaft hin, die mit einer eng verbundenen Familie vergleichbar war. Das Lied wurde zu ‚Brother‘. Als ich es mir zum ersten Mal anhörte und in die Musik eintauchte, überschlugen sich die Emotionen, und Erinnerungen überfluteten meinen Geist. Zuerst war ich überwältigt, dann rührte mich die schiere Kraft des Ganzen zu Tränen. Dave Gahan, ein weiterer langjähriger Freund von Mark, schien die perfekte Besetzung für den Gesang zu sein, und nachdem er das Stück gehört hatte, stimmte er voll und ganz zu.“

Humanist-Projekt auch ein Lanegan-Tribute

Neben diesen drei herausragenden Stücken fallen auch die anderen zehn kaum ab, besonders die zarte Stimme der langjährigen Lanegan-Muse Isobel Campbell in „Love You More“ trifft ins Herz. Am Ende singt Marshall selbst unter dem Pseudonym Madman Butterfly, das bedrohliche „The End“ bleibt als Closer weitgehend instrumental. So ist „On The Edge Of A Lost And Lonely World“, das zweite Album des Promi-Projekts, eine durchweg spannende Angelegenheit und wohl auch eine Art Tribute für den schmerzlich vermissten Mark Lanegan geworden. Man wäre nicht überrascht, wenn beim nächsten Humanist-Album auch Nick Cave mitsänge – stilistisch passen würde es allemal.

Das Album „On The Edge Of A Lost And Lonely World“ von Humanist erscheint am 26.07.2024 bei Bella Union. (Beitragsbild von Katja Mayer)

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